Materialien nach Rezept: Pulver-Kit für mehr Flexibilität und Materialvielfalt im 3D-Druck
25. Juli 2022
by Martina Ohle, Fraunhofer-Gesellschaft
Das pulverbasierte Laserstrahlschmelzen (LPPF) ist wohl das bekannteste AM-Verfahren und hat großes Potenzial für industrielle Anwendungen. Doch wie lässt sich die begrenzte Materialauswahl dieses Verfahrens umgehen und das Marktpotenzial weiter ausbauen? Dieser Frage gingen das IWM der RWTH Aachen und das Fraunhofer IFAM im von der AiF geförderten Projekt „LPBF-Pulver-Kit“ nach. Das Ergebnis war die Entwicklung einer nachhaltigen Lösung zur individuellen und robusten Verarbeitung von Metallpulvermischungen, sodass der Anwender mit einer kleinen Auswahl an Metallpulvern die gewünschten Materialeigenschaften abdecken und die Legierungen flexibel anpassen kann.
Der 3D-Druck ermöglicht maximale Gestaltungsfreiheit bei der Konstruktion und Produktion von Bauteilen. Diese Vorteile haben dazu geführt, dass sich 3D-Drucktechnologien in technischen Bereichen wie der Automobilindustrie und der Luft- und Raumfahrt gut etabliert haben. Die unterschiedlichen Einsatzgebiete erfordern jedoch nicht nur eine bestmöglich gestaltete Geometrie, sondern auch optimierte Materialeigenschaften. Dafür ist ein entsprechend angepasstes Material erforderlich. Allerdings steckt die Forschung zu Materialien für die additive Fertigung noch in den Kinderschuhen. Bisher werden überwiegend Materialien verarbeitet, die von Anlagenherstellern für ihre Prozesse qualifiziert wurden, um die verschiedenen additiven Fertigungsverfahren in der Industrie zu etablieren. Dieses Werkstoffspektrum ist eher klein und in seiner Vielfalt nicht mit herkömmlichen Werkstoffen zu vergleichen, die zumeist schmelzmetallurgisch hergestellt werden. Bei konventionellen, subtraktiven Fertigungsverfahren gibt es für jede spezifische Anwendung Hunderte verschiedener Stähle, Aluminiumlegierungen, verschleißfeste Kobalt-Chrom-Legierungen und mehr. Beim 3D-Druck ist die Auswahl aller metallischen Werkstoffe auf weniger als 30 Materialien beschränkt, sodass nicht alle Anforderungen abgedeckt werden können.
Mit dem „LPBF-Pulver-Kit“, das beispielsweise aus Eisenbasispulvern mit und ohne Kohlenstoff, Chrom, Nickel, Molybdän und Titancarbid besteht, lässt sich das Materialspektrum gezielt erweitern. Zu den häufig geforderten Materialeigenschaften gehören beispielsweise Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit, Härte und Wärmeleitfähigkeit. Viele Stahllegierungen bestehen aus den gleichen Elementen wie Kohlenstoff, Chrom und Nickel, unterscheiden sich jedoch in ihren jeweiligen Anteilen. Der entwickelte Prozess umfasst die Auswahl der Legierungszusammensetzung anhand des spezifischen Anforderungsprofils des Werkstoffs, die Bestimmung der Pulverzusammensetzung mithilfe thermodynamischer Simulationsmethoden und die Pulveraufbereitung mithilfe angepasster Misch- und Homogenisierungsverfahren. Anschließend werden die optimalen Prozessparameter ermittelt und der Werkstoff durch mikrostrukturelle Charakterisierung und Prüfung der mechanischen Eigenschaften qualifiziert. Nach dem Mischen des Pulvers entsteht durch den anschließenden Laserstrahlschmelzprozess die Legierung. Die Energie des Lasers schmilzt die Metallpulverpartikel und erzeugt die gewünschte Legierung. Am Ende des Prozesses steht das fertige Bauteil mit maßgeschneiderten Materialeigenschaften.
Die erste konkrete Anwendung im Rahmen des Projekts bestand darin, durch Legierung im „LPBF-Pulver-Kit“ maßgeschneiderte korrosionsbeständige Edelstähle für speziell angepasste Eigenschaftsprofile herzustellen. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten wurden die Einflussfaktoren identifiziert, die eine gute korrosionsbeständige Legierungsbildung begünstigen, und die Qualität der Legierung anwendungsorientiert geprüft. Im Ergebnis zeigte sich, dass die im LPBF-Verfahren legierten korrosionsbeständigen Werkzeug- und Duplexstähle widerstandsfähiger als das jeweilige Basispulver sind und ihre gewünschten Zieleigenschaften erreicht haben. Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, die Mikrostruktur durch angepasste Laserparameter anzupassen. Ein Beispiel hierfür sind die unterschiedlich großen Karbide im Gefüge der Werkzeugstähle. Je nach Anwendungsfall sind unterschiedliche Größen erforderlich. Mit dem entwickelten Pulverbaukasten können diese effizient variiert und zu homogenen Bauteilen verarbeitet werden. Die Ergebnisse dieses Teilprojekts können auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Von dem Forschungsprojekt profitieren insbesondere Unternehmen, die eine hohe Flexibilität erfordern und unterschiedliche Kunden mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen beliefern müssen. Dazu gehören Produktionsdienstleister, bei denen es sich überwiegend um kleine und mittelständische Unternehmen handelt. Die Herstellung von Metallpulvern dauert normalerweise vier Wochen. Möchte ein Produzent unterschiedliche Materialien mit kleinen Mengen abdecken, verlängern sich die Wartezeiten enorm. Nach der Beschaffung der Grundstoffe können mit dem „LPBF-Pulver-Kit“ gewünschte Materialeigenschaften eingestellt und die Produktion bei möglichen Lieferengpässen sichergestellt werden. Nächste Entwicklungsschritte sind die automatisierte Berechnung und Anpassung der Pulvermischung für die spezifische Produktentwicklung.
ZitatPrev: Keramik